Interview mit der schweizer Künstlerin Jana Bayer-Zvoristeanu

Ein Gespräch über Ängste, das Zusammenspiel von Ästhetik und Lebendigkeit der Farben.

Ein Konzept für eine Zahnarztpraxis, die schulmedizinisches Wissen mit alternativen Erkenntnissen aus der Natur vereint, ist auch heutzutage noch etwas Besonderes. Waren Sie von Beginn an davon überzeugt, sich dort künstlerisch einbringen zu können? Gab es gestalterische Vorgaben?

Die Gestaltung einer Kinderzahnarztpraxis hat mich von Anfang an gereizt. Als ich Frau Dr. Sandra Goedecke persönlich kennenlernte wurde mir sofort klar, hier ist eine junge Zahnärztin mit Visionen und einem grossen Herz für Kinder, die gerade dabei ist, ihren Traum zu verwirklichen. Das Thema Australien stand von Anfang an fest. Eine Feng-Shui-Beraterin entwickelte einige Richtlinien für einzelne Bereiche der Praxis. So wurde beispielsweise für den Eingangsbereich das Thema „Wasser“ in Form einer Fischwand aufgenommen.

Was bedeuten für Sie als Künstlerin Farben? Machen Sie sich Gedanken über Farben, die Sie verwenden wollen, bevor Sie ein Projekt beginnen?

Farben sind das stärkste Ausdrucksmittel eines Künstlers. Sie sind ehrlich und unmittelbar. Zu Beginn einer künstlerischen Arbeit gibt es bei mir bereits eine gewisse Vorahnung in welche Richtung es farblich gehen soll. Letztlich handelt es sich bei der Entstehung eines Werkes um einen künstlerischen Schaffensprozess, bei dem man mit den Farben einen Dialog aufnimmt. Vielmehr sind es dann die Farben die mir sagen, welcher Farbton als nächster kommt.

Passionsblume

Haben Sie Lieblingsfarben?

Als Kind und Jugendliche hatte ich definitiv meine Lieblingsfarben wie z. B. apricot und marineblau. Heute stelle ich fest, dass meine Farbvorlieben mit dem Wandel der Jahreszeit mitgehen. Vielleicht könnte man daher eher von Stimmungs- und Bedürfnisfarben sprechen. In der kalten Jahreszeit mag ich gern ein kräftiges Rot. Im Frühling geniesse ich die Leichtigkeit von Grünund Pastelltönen. Im Sommer darf es dann auch etwas peppiger sein.

In der Zahnarztpraxis haben Sie Pflanzenfarben von AURO verwendet. Was hat Sie zu dieser Entscheidung bewogen? Machen Sie sich generell Gedanken über die Zusammensetzung und Aspekte wie Umweltverträglichkeit, wenn Sie Ihr Material auswählen?

Ist man als Künstlerin oder Designer an der Gestaltung von menschlichem Lebensraum beteiligt, übernimmt man eine gewisse Verantwortung. Diese Aufgabe geht über die reine künstlerische Selbstverwirklichung hinaus. Visuelle Qualität zählt ebenso zur Lebensqualität eines Menschen wie der Einsatz von nachhaltigen, schadstofffreien Materialien. Natürliche Materialien bringen von sich aus eine besondere Erscheinungsqualität mit. So gelingt es leicht stimmungsvolle Harmonien zu erreichen. Während der Arbeit mit einer Farbe pflanzlicher Herkunft entsteht eine ganz andere Beziehung zwischen Künstler und Material.

Die besondere Wertigkeit dieser Farbe inspiriert zu einem viel sorgsameren Umgang mit ihr. Mit der Anwendung von AURO Pflanzenfarben weiss ich, dass ich auf der sicheren Seite stehe. Ihre Herstellung, ästhetische Qualität und Wertigkeit im Sinne einer nachhaltigen Umweltgestaltung entsprechen voll und ganz meiner Vorstellung künstlerischen Wirkens.

Wir haben bisher über die sachlichen Aspekte von Farben gesprochen. Welches emotionale Verhältnis haben Sie zu Farben?

Bei der überwältigenden Flut an Sinneseindrücken, der wir tagtäglich ausgesetzt werden, ist es wichtig Bereiche für sich zu bewahren, in denen man Farbe weiter geniessen und neu entdecken kann. Bei mir ist es die Natur. Ich wohne in einem Weinanbaugebiet am Genfer See mit Sicht auf die französischen Alpen. Ich mag diesen Blick in die Ferne. Gleichzeitig kann ich beobachten, wie sich die Weinrebe über die Monate farblich verändert. Genauso berühren mich aber auch die Muster und Farbkombinationen japanischer Kimonostoffe, die ich gerne in Museen bewundere. Dieses Zusammenspiel von natürlichen Ressourcen, technischem und handwerklichem Know-how sowie künstlerischer Eingebung fasziniert mich. Auf diese Weise wurden Kunstschätze voller Ästhetik geschaffen, die uns noch heute in ihren Bann ziehen.

Sozialraum

Vertrauen zu schaffen und Ängste abbauen, Farben und ihre Wirkung sind ein Beispiel dafür. Wie bauen Sie Ängste ab?

Vertrauen aufzubauen ist vor allem im medizinisch-therapeutischen Bereich von grosser Bedeutung. Vor einiger Zeit hatte ich ein sehr schönes Projekt, die Entwicklung eines Farbkonzepts für das Geburtshaus „Der Rosengarten“ in Genf. Die Aufgabe bestand in der Konzeption einer Raumgestaltung, die einen optimalen Rahmen für eine natürliche Geburt bietet. Die Geburt im Geburtshaus ist eine bewusste Entscheidung werdender Eltern und verlangt von der Gebärenden eine ordentliche Portion Vertrauen in sich, den Partner

und die Geburtsbegleiter. Die meisten werdenden Mütter erleben ihre Schwangerschaft als Glücksmoment. Manchmal mischen sich unter die Vorfreude allerdings auch Gefühle von Ängsten und Zweifeln. Dieser Vielschichtigkeit der Gefühlswelt kann man mit Farbe im Raum sehr gut begegnen.

Für den Künstler ist Farbe in erster Linie ein ästhetischer Genuss und Ausdruck seiner selbst. Doch Farbe spricht nichtalleine unseren Schönheitssinn an. Sie wirkt ebenso auf physiologischer, emotionaler wie kognitiver Ebene. Aus diesem Grund müssen bei der Entwicklung eines Farbkonzepts die Farbtöne genau auf die Bedürfnisse der jeweiligen Nutzer abgestimmt werden. Entscheidend ist nicht nur der Farbton an sich. Vielmehr bestimmen dessen Nuance und Helligkeitswert die atmosphärische Wirkung eines Raumes.
Aber auch das Zusammenspiel aller vorhandenen Farben spielt eine Rolle. Im „Rosengarten“ haben wir uns zur Gestaltung der Geburtszimmer für zarte Blütentöne entschieden. Kühlere Akzente in grün und türkis sorgen für Frische und bringen das gewisse Etwas. Ergänzt wurden diese Farbklänge durch Flächen in erdigen Farbtönen, die eine gewisse Natürlichkeit und Geborgenheit vermitteln. Die übrigen Räume wurden etwas lebhafter gestaltet. So kann die junge Familie nach den Anstrengungen einer Geburt wieder Kraft tanken und sich in aller Ruhe gegenseitig kennenlernen.

Und was gibt es Schöneres als das Licht der Welt in Farbe zu erblicken?